Donnerstag, 13. August 2015

Ich trage dich wie eine Wunde

Heute ist einer dieser Tage an denen ich innerlich schreie. Ich wüte und bin tief traurig. Ich habe heute wieder viel geweint und mich gefragt warum mir so etwas passieren musste? Ich habe immer noch keine Antwort darauf.

Ich habe so eine Sehnsucht nach Matheo, dass es mich manchmal aufrisst. Es fühlt sich an, als würde mir jemand mein Herz heraus reißen. Als würde jemand mein Herz in seine Hand nehmen und so feste zudrücken bis ich ersticke. Ich bekomme dann kaum Luft so stark ist diese Sehnsucht und der Schmerz zu wissen, diese Sehnsucht wird nie gestillt werden. Mein Sohn wird mich nie mit einem Lächeln morgens, nach einer durchweinten Nacht belohnen. Er wird mich niemals mit seinen strahlenden Augen ansehen und meine Sehnsucht stillen. Er wird niemals Mama sagen und mein Herz damit aufgehen lassen. Geblieben ist nur die Sehnsucht, die vielleicht immer bleiben wird. Vielleicht solange bis ich aufhöre zu atmen.

Wenn ich Blonde Frauen mit Kinderwagen in meinem Alter sehe, habe ich bisher nichts gespürt. So langsam kommt aber das Gefühl zurück an die Oberfläche. Der Schockzustand hielt diese Gefühle gut im Zaum. Er half mir mich zu Fangen und mich zu wappnen für die Zeit die jetzt kommt. Mamagefühle sind so starke Emotionen. Wo soll ich nur damit hin? Matheo ist nich hier, ich kann Sie nicht an ihn weitergeben. Die Mamagefühle sammeln sich an, stauen sich, schwappen über den Rand der Mauer und irgendwann sind die Wellen so mächtig, dass Sie mich, den Staudamm überrollen. Die ganzen Mamagefühle überrollen mich und machen mir schmerzhaft klar mein Sohn ist fort.

Was ich dann tue? Ich weine. Das ist das einzige Ventil das hilft für den Augenblick. Was mir noch hilft? Jedes mal zu schreiben wenn es besonders weh tut.

Ja, ich trage Matheo wie eine Wunde. Diese Wunde war weit aufgerissen. Wie nach einem schlimmen Unfall. Das Blut floss in Strömen aus dieser Wunde raus, so dass ich kurz vorm verbluten gewesen bin. Sie wurde etwas verarztet durch meinen Mann und meine Familie. Sie halfen die Wunde fürs erste provisorisch zu flicken. Es tropfte nur noch leicht. Dann begann Sie leicht zu verheilen. Man konnte aber schon erahnen, dass es mal eine hässliche Narbe werden wird. Dann ganz plötzlich entzündet sich die Narbe und hinterlässt einen bleibenden Schmerz. Der Schmerz ist der Verlust meines Toten Babys. Und dann  ganz unverhofft, bleibe ich mit dem Arm an einem Gegenstand hängen und ich reiße mir diese Wunde wieder ganz auf. Und es fängt von vorne an....


Was soll ich bloß tun? An so Tagen wie heute, wünsche ich mir nichts sehnlicher als wieder Schwanger zu sein. Ich möchte dieses Glück noch einmal erleben dürfen. Diese Vorfreude und diese Verbundenheit zu dem Baby. Ich möchte so sehr Mama sein dürfen, jede Minute des Tages. Und dann frage ich mich, will ich das wirklich? Eigentlich will ich nur Matheo zurück haben. Doch eine neue Schwangerschaft wird ihn mir nicht zurück bringen. Wir wollten eigentlich erst mal nur ein Kind und jetzt sprechen wir über ein 2.! Werde ich überhaupt je ein Baby aus dem Krankenhaus mit nach Hause bringen?

Weist du, ich als Sternenmama habe den Glauben daran irgendwie verloren. Wir alle denen sowas schreckliches passiert ist wollen Glauben. Denn wenn du glaubst wächst Hoffnung. Und Hoffnung ist stärker als Furcht. Und du brauchst verdammt viel Mut für eine 2. Schwangerschaft. Und dennoch will ich es wieder wagen. Mit Offenen Ende. Denn keiner kann einem garantieren das alles gut geht. Kinder bekommen ist verdammt Mutig und jeder der ein quick lebendiges Baby hat, hat an der Los Trommel Glück gehabt und das Leben gezogen.

Wir Sternenmamas sind nicht mehr wie die anderen, die in ihrer rosa Wolke schweben. Diejenigen die nie etwas böses erlebt haben interessieren sich nur für eine schmerzfreie Geburt und wie schnell sie abnehmen nach der Geburt. Ob sie Schwangerschaftsstreifen haben. Das alles interessiert mich kaum noch. Die Geburt und die Wehen waren für mich nicht mal annähernd so Horror wie mir alle aus meinem Umwelt versucht haben weiß zu machen. Warum wird überhaupt werdenden Mamas so eine Angst vor der Geburt gemacht. Die, die da so rum tönten wie schlimm es doch war, die hatten es doch auch geschafft. Seit tausenden Jahren bringen Frauen Kinder zu Welt. Wäre es so schlimm wie manche sagen, wären wir schon ausgestorben. Ich sage, die Geburt war das anstrengendste aber auch schönste Erlebnis in meinem Leben.

Die Geburt hat keine Wunden hinterlassen. Der Tod meines Kindes aber.

Eine Idee kam mir vor einem Monat. Als ich das Buch las: Ich trage dich wie eine Wunde.
Ich dachte, ich will eine sichtbare Wunde. Die in mir drin, die kann keiner sehen. Wenn ich mit dem Mund lächle glaubt mein Umfeld mir gehe es gut. Doch meine Augen lachen nicht mit. Mit Matheo ist auch meine Leichtigkeit gestorben. Etwas Unbeschwertheit ist gestorben. Doch ich will, das es eine lebenslange, für alle sichtbare Wunde gibt. Das jeder der mich kennt sieht, jedes mal wenn er mich sieht, es gab Matheo. Ich wollte das ich ihn ein Leben lang bei mir habe. Eine sichtbare Wunde. Was gab es da  besseres als ein Tattoo. Früher hatte ich mal Angst vor Tattoos wegen den Nadeln. Wie mit den Schwangerschaftsstreifen, die ich übrigens nicht bekommen habe trotz 7. Monat, interessierte mich die Nadel um ein Tattoo zu bekommen jetzt gar nicht mehr. Es war mir egal. Konnte es schmerzhafter sein als der Verlust von Matheo? Niemals. Und so habe ich mir ein Tattoo stechen lassen. Für immer unter meiner Haut. Denn ich trage Matheo wie eine Wunde. Die mal mehr mal weniger weh tun wird. Aber sie wird immer da sein. Mein Leben lang. Innerlich wie Äußerlich. Für meinen Sternenprinz Matheo.



Einen Stern für jeden Tag den Matheo gelebt hat.

 
 
 
 
Sehnlich erwartet und viel zu früh verloren.
Zurück bleiben verwaiste Eltern mit all Ihrer Sehnsucht, Ihrer Liebe und Ihren Schmerz.
 
(Flieg, Kleiner Schmetterling von Petra Hillebrand)
 
 
 
 

2 Kommentare:

  1. Liebe Sarah..Du hast es herzzereissend geschrieben. Meine Tränen übernehmen mich mal wieder. Die Sehnsucht nach seinem Baby Ist unerträglich und kaum in Worte zu fassen..Es fehlt ein Teil von uns. Mit Niklas ist auch ein Teil von mir gestorben..Ich finde dein Tatoo wunderschön..Du hast es mit der Narbe gut beschrieben..Matheo ist ein Teil von Dir/Euch und das für immer!! Nach einem solchen Verlust, ist man nicht mehr der selbe Mensch. Man kann nicht einfach in den Alltag übergehen. Nein, wir trauern und vermissen unser Kind unendlich..Dieser Schmerz wird vermutlich immer bleiben.. Man lächelt zwar, aber die Augen leuchten nicht. Du hast es auf den Punkt gebracht..Fühle dich umarmt Von mir..So gerne würde ich es persönlich machen, aber es liegen leider einige Kilometer zwischen uns..
    Matheo und Niklas sitzen gemeinsam auf ihrer Wolke und schauen zu uns herunter..Diesen Gedanken finde ich schön, auch wenn es unendlich traurig ist.
    Kussii Melanie mit Niklas fest im Herzen

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    1. Liebe Melanie, danke das du weiterhin meinen Blog verfolgst. Wír haben uns schon so oft darüber unterhalten wie weh es tut. Allein unsere Momente vor den Babykleidern kommen mir da in den Sinn. Es ist furchtbar ungerecht. Ich hoffe so sehr das die beiden zusammen sind. Fühl dich umarmt. :-*

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